148. Etappe

Von Krestena nach Zacharo

Kleine Robertsche Abschweifung 22

 

Das Massaker von Kefalonia

„Nein, bitte nicht schon wieder Gemetzel an der Zivilbevölkerung, Folterung von Partisanen, Vertreibungen, Auslöschung ganzer ethnischer Gruppen. Darüber haben wir doch schon gelesen in den Berichten aus Tschechien, Österreich, Slowenien, Jugoslawien, Albanien und sicher gibt es diese Verbrechen an der Menschlichkeit auch in Griechenland… Es reicht!“. So höre ich die geneigten Leser stöhnen.

Wir suchen uns die Geschichten nicht aus. Sie liegen am Wegesrand und bei manchen wäre es uns lieber, sie wären nie geschrieben worden. Wegschauen können wir nicht.

Das Massaker von Kefalonia im September 1943 sticht nicht heraus durch besondere Grausamkeit. Auch nicht durch besonders viele Tote, im Vergleich zu den großen Gräuel der Menschheitsgeschichte, wobei ich denke, das jeder Mensch zu viel ist, der von der Hand eines anderen stirbt.

Das Opfersein und die Täterschaft unheilig miteinander verbunden sind, wissen wir.

Selten habe ich jedoch unmittelbarer erlebt, wie aus Tätern Opfer werden. Innerhalb von Tagen.

Wie war die Ausgangslage? Im Jahr 1941 überfiel das große faschistische Italien das kleine Griechenland. Dieses wehrte sich verbissen, so dass der „Ganz Große“ helfen musste. Also der Bündnispartner Deutschland. Gemeinsam droschen sie auf den Zwerg ein, bis dieser hilflos am Boden lag, besetzten das Land sowie alle Inseln. So auch Kefalonia, welches wir an mehreren Tagen durchwanderten. Die Insel ist so groß wie Usedom, hat hübsche Hafenstädtchen, sonst ist da nicht viel los. Die Italiener landeten gleich mal 12.000 Soldaten an, die deutschen „Waffenbrüder“ bzw. „Spießgesellen“ schifften 2.000 Uniformierte der Wehrmacht ein. Zwei Raubtiere auf engem Raum.

Nun begab es sich aber, dass die Alliierten 1943 in Süditalien landeten und langsam den „Stiefel“ von unten her aufrollten. Die Italiener verloren schlagartig die Lust am Krieg, stürzten ihren Häuptling, den kleinen Mussolini (Duce) und streckten die Waffen. Wenn man am Verlieren ist, macht der Krieg einfach keinen Spaß mehr.

Die neue Regierung in Rom erklärte im September 1943, dass die deutsche Armee als „feindlich“ zu betrachten sei. Eine Kriegserklärung an Deutschland gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Was machte man nun auf der Insel Kefalonia? Der Oberbefehlshaber der Division Acqui, General Gandin und der Chef der deutschen Truppen Oberstleutnant Johannes Barge sitzen gemeinsam am Tisch und schlemmern auf Kosten der Griechen Eisbein mit Sauerkraut, Bier, Wein, Spaghetti, Tortellini mit Ravioli und Stracciatella. Beim Grappa und Doppelkorn überreichen die Ordonanzen ihnen die Funksprüche aus Rom und Berlin mit der Weisung, dass beide sich nun gefälligst an die Gurgel zu springen haben. Und zwar avanti, avanti und ein bisschen dalli dalli.

Als „Männer von Welt“, steigen sie unverzüglich in ihre Karossen und brausen durch die noch milde griechische Spätsommernacht in ihre Hauptquartiere. Der anschließende Hickhack lässt sich fast tagesgenau in der Wikipedia nachlesen. Spannend ist, dass General Gandin seine Truppenteile nach deren Meinung befragen ließ. Drei Varianten hatte er zur Wahl gestellt:

1. Wir kämpfen gemeinsam mit den Deutschen

2. Wir ergeben uns

3. Wir kämpfen gegen die Deutschen.

Die Mehrzahl der Italiener wollte nicht klein beigeben, wollte lieber kämpfen. Und zwar gegen die Deutschen. Da war bestimmt so etwas wie verletzte „Ehre“ im Spiel. Schließlich gehörte man der traditionsreichen Division Acqui an.

Der Italienische General hielt das dann doch nicht für eine gute Idee. Er wollte eine Rückführung seiner Einheiten nach Italien unter Abgabe der Waffen gegenüber den Deutschen durchsetzen. Und zwar zu dem Zeitpunkt wo Schiffe zum Abtransport der Männer im Hafen bereit ständen. Die Verhandlungen beider Parteien gingen ergebnislos weiter. Die Deutschen forderten bedingungslose Kapitulation.

Die Wehrmacht schickte Verstärkung auf die Insel und General Hubert Lanz übernahm das Kommando.

Am 15. September 1943 schlugen die Deutschen los. Die Sturzkampfbomber der Luftwaffe schmissen ihre Bomben in die Reihen der Italiener. Am selben Tag gab das Oberkommando der Wehrmacht den Befehl aus, dass „wegen des gemeinen und verräterischen Verhaltens auf Kephalonia keine italienischen Gefangenen zu machen seien“. Die Deutschen rückten zügig vor. In Massen ergaben sich die Italiener, legten die Waffen nieder, wurden zusammen getrieben und mit Maschinengewehren niedergemäht. Keine Gefangenen bedeutet Tote. Ca. 5000 Waffen- und wehrlose junge Männer wurden auf diese Weise massakriert, die Leichen verscharrt oder ins Meer geworfen. Auf deutscher Seite kamen etwa 40 Männer ums Leben.

Um der Sache die teuflische Krone aufzusetzen, wurden noch General Gandin und seine Stabsoffiziere auf Befehl von General Lanz exekutiert.

Das Exempel war statuiert. Legt Euch bloß nicht mit der Wehrmacht an.

Lanz wurde in einem Nürnberger Nachfolgeprozeß zu 12 Jahren Haft verurteilt. Kam aber relativ schnell wieder frei.

Vor BRD-Gerichten wurde dieses Massaker nur zögerlich behandelt. Angeklagte Wehrmachtssoldaten (die besonders viel und lustvoll gemordet hatten) äußerten später vor Gericht, dass sie kaum ein schlechtes Gewissen verspürten. Befehl ist Befehl und schließlich waren die Italiener „Verräter“. Keinem der mordenden deutschen Soldaten und den befehlenden Offizieren wurden niedere Beweggründe angelastet. Es war auch kein Mord, sondern Totschlag. So urteilten die teilweise ehemaligen NS-Richter. Und Totschlag ist nun „leider“ verjährt (Und insgeheim hat sich der ein oder andere Richter vielleicht gedacht - die elenden Spaghettifresser - alles Verräter und hätten die uns mal nicht im Stich gelassen, wäre der Krieg siegreich ausgegangen, selbst Schuld).

Spannend ist es zu erkennen, wie aus den italienischen Tätern (Überfall auf Griechenland) nun Opfer geworden sind. Und aus den deutschen Eroberern wurden Kriegsverbrecher und Massenmörder. Der gute Spruch „Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus“ passt hier gar nicht. Die eine Krähe wollte nicht mehr mitspielen und wurde in diesem Fall von der anderen zerhackt.

Was mögen die Griechen damals über dieses Massaker gedacht haben: „Wenn zwei sich streiten, freuen wir Griechen uns als Dritte“? Oder einfach: „Schade, dass diese Drecksäcke sich nicht gegenseitig gekillt haben. Trotzdem gut, nun brauchen wir nur noch die Deutschen rauszuschmeißen“. Was ja auch bekanntlich ein Jahr später erfolgte.

 

Ende der Abschweifung