Von Poros nach Vasiliki
Ein ganz normaler Tag. Besondere Vorkommnisse – keine.
„Hähni, ist das nun eine gute oder eine schlechte Nachricht?“ frage ich meinen Reisebegleiter beim Begrüßungsgetränk im Hafen von Vasiliki.
Zur Zeit haben wir uns auf Retsina eingeschossen. Das ist eine echte griechische Spezialität. Ein weißer, trockener Wein, der mit getrocknetem Baumharz versetzt wird. Heutzutage jedenfalls.
Im antiken Griechenland wurde Wein in Schläuchen aus Ziegenfell oder in Amphoren aufbewahrt, die mit Harz abgedichtet wurden. Das nahm nicht nur Einfluss auf das Aroma des in ihnen aufbewahrten Weines, sondern wirkte sich zudem positiv auf dessen Haltbarkeit aus. Heute wird dem Traubenmost während der Gärung Harz in Granulatstückchen zugegeben, um ein der antiken Tradition vergleichbares geschmackliches Ergebnis zu erreichen. Allerdings zunehmend weniger.
Während früher ein Harzanteil von 5% bis 7,5% üblich war, wenden sich in den letzten Jahrzehnten immer mehr Winzer deutlich reduzierten Harzgehalten von lediglich 1 bis 2% zu, um ihren Retsina, feiner, frischer, filigraner, weniger "penetrant" und damit den meisten Gaumenvorlieben gefälliger zu formen. Der klassische Retsina (im griechischen übrigens weiblich) wie er bis in die 1970er Jahre hierzulande üblich war, empfanden die meisten als zu derb und harzig-penetrant. Schade eigentlich. Mir kann es nicht harzig genug sein.
Unser Retsina trägt den klangvollen Namen Malama(r)tina.
Es gibt ihn hier überall in Flaschen zu 0,25 oder 0,5 Liter. Im Gastrokühlschrank der Supermärkte oder Kneipen steht er direkt neben dem Bier. Perfekt temperiert. In den Cafés und Tavernen ist er meist das billigste Getränk. Das haben wir Sparfüchse sofort geschnallt. Und immer, wenn der Blick in die Getränkekarte zeigt, dass der halbe Liter mehr als 5 Euro kostet, gehen wir in das Lädchen um die Ecke, zotteln ein Fläschchen aus dem Kühlschrank, bezahlen etwas um die zwei Euro und suchen uns ein schattiges und/oder aussichtsreiches Plätzchen.
Und genau auch heute. So sitzen wir auf einer bequemen Bank direkt an der Mole. Trinken aus unseren bunten Plastikbechern. Beobachten die Rangiererei der Segelboote im Hafen. Bei manchen hast Du das Gefühl, die haben ihren Bootsschein im Lotto gewonnen. Müssen erst einmal die Bedienungsanleitung lesen, um die Fernbedienung ihres Ankers zu verstehen oder die kleine Brücke vom Boot an Land zu lassen.
„Hähni, ich habe eine Idee“, verkünde ich, während ich das maritime Treiben beobachte und Malama(r)tina mir sanft das Gehirn vernebelt. „Hähni, wenn wir zurück sind, dann machen wir einen Segelschein und dann segeln wir nach Griechenland. Über die Elbe, in die Donau …“ „Was redest Du für einen Unfug“, unterbricht mich mein Hahn „Über die Elbe kommst Du nicht so einfach in die Donau“, klugscheißert er. „Dann eben über die Elbe und die Nordsee in den Rhein und dann über den Rhein-Main-Donau-Kanal (den gibt es, dass weiß ich aus dem Geographieunterricht) in die Donau“, kontere ich. Dann ins Schwarze Meer und durch den Bosporus ins Marmara Meer und dann durch die Dardanellen in die Ägäis und schwuppsss sind wir in Pyrgos. Ich sehe uns schon auf unserem kleinen Bötchen. Wir werden unsere Freunde Pfeffi und Kerstin fragen. Sie haben ein Segelboot, welches auf dem Schweriner See traurig herumdümpelt und gern auf Europareise gehen würde. Sie könnten es uns ausleihen oder noch besser … sie kommen gleich mit. Die beiden werden hell begeistert sein.
Hört denn Fernweh niemals auf? Nichtmal, wenn man in der Ferne ist?
Ein ganz normaler Tag – besondere Vorkommnisse - keine.
Alles wie jeden Tag und wie jeden Tag alles neu und zum Staunen schön. Seit fünf Monaten wandern wir durch Europa. Jeden Tag ziehen wir los, jeden Tag kommen wir an. Hangeln uns, entlang unserer Rituale und Gewohnheiten durch die Ungewissheiten, die der neue Tag bringt. Am Ende finden wir im täglich neuen zu Hause eine liebevoll eingerichteten Ferienwohnung. Jeden Tag, wirklich ausnahmslos jeden, treffen wir auf freundliche, hilfsbereite Menschen, jeden Tag genießen wir grandiose Aus- und interessante Einblicke. Lassen uns mitreißen und inspirieren. Und jeder Tag hat seinen eigenen Zauber.